Dumont Reiseführer Bahia und Hansen-Bahia



Cachoeira und São
Felix
Seine größte wirtschaftliche Bedeutung hatte Cachoeira im 17.
und 18. Jh. als Zentrum des Zuckerrohranbaus sowie als
Umschlagsplatz für Waren aus dem Hinterland und aus Lissabon.
Goldsucher, Abenteurer, Händler und Missionare, die nach Minas
oder in den Sertão
wollten, ließen
sich auf Segelschiffen nach Cachoeira bringen, von wo sie
auf Mauleseln, mit dem Ochsenkarren oder zu Fuß
weiterreisten.
Umgekehrt
wurden Diamanten und Gold aus Minas Gerais, aber auch aus der
Chapada Diamantina nach Lissabon verfrachtet. Das kleinere São
Felix diente dabei vor allem als Lagerplatz. Deshalb gibt es
dort auch nur wenige
repräsentative
Bauten aus der Blütezeit
der Stadt. Die Handelskontore, Verwaltung und der Rat residieren
in Cachoeira. Die meisten Straßen, Gebäude, Plätze, stammen
aus dem 17. und 18. Jh. Seitdem ist aber auch nicht mehr
viel mit ihnen geschehen. Viele Gebäude sind
renovierungsbedürftig und werden schon seit Jahren mit
abenteuerlichen Konstruktionen gestützt.
Das
einzige moderne Bauwerk der 28000 Einwohner zählenden Stadt
steht etwa 5 km flußaufwärts. In den 80er Jahren wurde dort eine
Talsperre errichtet, um die jährlichen Überschwemmungen am
Paraguaçu
zu vermeiden. Doch 1990 sahen sich die Ingenieure aufgrund der
starken Regenfälle gezwungen, die Schleusen zu öffnen, um zu
verhindern, daß die Wassermassen den Staudamm zerstörten. Die
Folge: Zehn Tage standen große Teile der Doppelstadt unter
Wasser. Mit Kanus retteten die Menschen ihre Habseligkeiten auf
die Hügel der Stadt.
Wir
beginnen unseren Rundgang bei der Klosteranlage der Karmeliter,
deren Gebäudekomplex sich von der Praça
da Aclamação
in die Rua Inocêncio
Boaventura hinein erstreckt. Die Igreja Convento
Nossa Senhora do
Carmo ist die erste Kirche, die der Orden in Brasilien
errichtete. Die Karmeliter blieben hier allerdings nur bis Mitte
des 18. Jh. Nach den Unabhängigkeitskämpfen (1822/23) war die
Garnison der »Patrioten des Recôncavo«
in den Gebäuden untergebracht, eine von Großgrundbesitzern
finanzierte Armee aus ehemaligen Sklaven, Indios und armen
Landarbeitern, die sich gemeinsam gegen die Kolonialmacht
erhoben hatten. Später wurde die Anlage während einer
Choleraepidemie zu einem Notkrankenhaus umfunktioniert. Durch
die jahrhundertlange zweckfremde Nutzung war der Innenraum des
Sakralbaus so heruntergekommen, daß der Orden beschloß, Kirche
und Kloster zu vermieten. Heute dient die schmucklose Kirche als
Versammlungsraum und Festsaal, in der Klosteranlage ist eine
Pousada untergebracht.
Die
Karmeliter müssen jedoch bis heute nicht auf ihren eigenen
Betraum verzichten, denn direkt neben der Carmo-Kirche befindet
sich die außergewöhnlich schöne
Capela e Casa de Oração
da Ordem Terceira
do Carmo (1702)
ihres Laienordens. Im Innern der Sakristei beeindruckt ein
Wandschrank, der die gesamte Längswand einnimmt. In seinen
sieben Fächern stellen fast menschengroße Skulpturen den
Leidensweg Christi dar. Diese Passionsfiguren aus Holz und Gips,
deren mit Rinderblut gemalte Wunden täuschend echt wirken,
werden jedes Jahr in der Osterwoche bei einer Prozession durch
die Straßen Cachoeiras getragen. Die geschlitzten Augen sowie
der Haar und Bartschnitt der Figuren lassen deren Herkunft
erahnen: Sie stammen aus der portugiesischen Kolonie Macau in
China. Über den großen Kommoden in der Sakistrei hängt ein fein
ziseliertes Kreuz aus
schwarzem Palisander - Holz mit einer Christusstatue aus
Elfenbein, die mit Rubinen besetzt ist.
Das
Gebetshaus mit seinen vergoldeten Schnitzereien und Verzierungen
erinnert an die Igreja de São
Francisco in Salvador, nur sind hier im Gegensatz zur etwa 50
Jahre früher erbauten Franziskaner Kirche in der Hauptstadt,
bereits, einige Rokoko-Elemente aufgenommen. Im ersten Stock
befindet sich neben einem kleinen Raum, in dem Gläubige ihre
Exvotos anbringen, eine große, kniende Jesusfigur mit dem Kreuz
auf den Schultern, die auch aus dem chinesischen Macau stammt.
Von der Chorempore haben wir noch mal einen schönen Überblick
über die Baustruktur der reich verzierten Kirche, (Mo
- Sa 14-17 Uhr, So geschl.,
kompetente Führung in portugiesisch durch Fr. Elisabeth).
Um
die Praça
da Aclamação
(= Ausrufung) vor der Kirche sind einige historische Gebäude
gruppiert: An der Kopfseite steht die barocke
Casa da Câmara
e Cadeia
(1698
und
1712), der Sitz des Stadtrates und das Gefängnis, hier riefen
die Bürger aus Cachoeira am Morgen des 25. Juni 1822 die
Unabhängigkeit von Portugal aus - und wurden prompt vom
Kanonenboot portugiesischen Kommandanten bombardiert, das im
Fluß stationiert war. Drei Tage später, am 28. Juni, gewannen die
Cachoeiraner die erste Schlacht im Unabhängigkeitskampf: Denn es
gelang ihnen, das außer Gefecht gesetzte Schiff zu stürmen, weil
der Wasserspiegel des Paraguaçu
bei Ebbe überraschend stark gesunken war, so daß die Karavelle
aufsetzte.
Gegenüber dem Rathaus - das besichtigt werden kann - befindet
sich das Museu Regional
(Di -Fr 9 -12 und 14-17, Sa 14 -17, So 9 -12.30 Uhr),
ein Bügerhaus (1723), in dem etwas lieblos Kolonialmöbel
ausgestellt sind. Eine Rarität ist der mit Elfenbeinintarsien
geschmückte Kassenschrank, der vermutlich arabischen Ursprungs
ist.
Die
Rua 25 de Junho führt hinunter an den Texeira de Freitas Platz,
dessen Bars und Restaurants am Wochenende großen Zulauf von
Jugendlichen aus der Umgebung bekommen. Wir gehen von der Praça
da Aclamação
weiter geradeaus in die Rua Ana Nery, benannt nach der
legendären Krankenschwester Ana Nery. Nachdem alle ihre Söhne im
Krieg gegen Paraguay (1864 -1870) in
den
Kampf gezogen waren, hatte sie sich als 50 jährige Witwe zum
freiwilligen Einsatz an der Front gemeldet und zahlreichen
Brasilianern das Leben gerettet. Ana Nery wurde vom König Dom
Pedro als
»Mutter
der Brasilianer« ausgezeichnet. An der ersten Straßenecke links
steht ihr Geburtshaus, in dem z.Zt. das
Museu Hansen Bahia
(Mi - Mo 8 -12 und
14
-17 Uhr, Do 8 -12 Uhr, Davi Rodrigues gibt gerne Auskunft über
Hansen und Cachoeira) untergebracht ist. In der Ausstellung sind
viele seiner Holzschnitte über die Frauen des Pelourinho wie
auch sein berühmtestes Werk, das »Drama des Kreuzwegs«
(ebenfalls Holzschnitte), zu sehen.
An
der nächsten Straßenecke liegt die Kapelle
Matriz Nossa Senhora
do R osário.
Cachoeiras Stadtgründer, die Großgrundbesitzer Dias Adorno und
Rodrigues Martins, ließen sie 1639 erbauen. In der Kirche, deren
Portale und Heiligenstatue über dem Haupteingang aus
italienischem Carrara-Marmor gehauen sind, befinden sich zwei
aus Portugal eingeführte Azulejos-Wände. Die Kirche ist
inzwischen wieder geöffnet. Das Museu das Alfaias (= Religiöser
Schmuck), das im Kreuzgang der Matriz untergebracht ist, wurde
geschlossen, nachdem dort mehrere der wertvollen Stücke
gestohlen wurden.Wir
gehen an der Matriz - Kirche entlang in Richtung Fluß, bis wir
auf die Rua 13 de Maio treffen. In dem restaurierten Eckhaus hat
seit letztem Jahr die
Irmandade da Boa Morte
ihren Sitz. Im Erdgeschoß sind Fotos ausgestellt, die einen
Eindruck über die geheimnisvolle Prozession der
Glaubensschwestern im August vermitteln. Auch die Figur der
Nossa Senhora de Aparecida ist zu sehen. Der erste Stock wird
für kulturelle Aktivitäten genutzt, hier hängen einige sehr
schöne, von bahianischen Künstlern gestiftete Werke. Die steile
Travessa do Barroso führt uns zur Kapelle
Nossa Senhora da Ajuda.
Diese einfache weiße Kapelle ist der älteste Sakralbau der
Stadt (1595 -1606). Die Steine wurden mit Rinderblut als
Mörtelersatz zusammengehalten. Leider ist die Kapelle fast immer
verschlossen.
Außer den beschriebenen Sehenswürdigkeiten lassen sich in
Cachoeira schöne Spaziergänge über die Hügel
und
durch die Straßen entlang des Flusses unternehmen. Jahrhunderte
beförderten ausschließlich Einbäume die Menschen über den Rio
Paraguaçu,
der den Ort von São
Félix
trennt.
Seit 1885 verbindet die gewaltige 365 m lange
Dom Pedro-
II
-
Brücke die
Städte, die der Kaiser persönlich einweihte. Das Strahlkonstrukt
stammt von einer englischen Firma, die die Brücke
ursprünglich für den Nil konzipiert hatte. Sie wirkt
eigentümlich überdimensioniert zwischen den verschlafenen
Dörfern. Und noch heute lassen sich manche Bewohner lieber von
den Einbäumen der Fischer übersetzen.
Die
Nachbarstadt São
Félix
(12 000 Einw.) Ist kleiner und architektonisch weniger
interessant als Cachoeira. Daß sie heute eine eigene Gemeinde
ist und nicht einfach von Cachoeira verschluckt wurde, liegt an
einem Deutschen. Der Bremer Kaufmann Gerhard Dannemann war 1872
nach Bahia gekommen. Grund war die Mata Fina, eines der weltweit
besten Anbaugebiete für Zigarrentabak. In zwei Jahrzehnten
avancierte Dannemann zum größten Unternehmer in Bahia. Seine
Zigarren waren eines der ersten brasilianischen Produkte der
Nachkolonialzeit, die sich auf dem europäischen Markt
durchsetzen konnten. Durch
seine unternehmerischen Aktivitäten wurde aus dem Marktfleckchen
ein ansehnliches Städtchen. 1889, aus dem Bremer Gerhard war
inzwischen ein bahianischer Geraldo geworden, wählte man ihn zum
ersten Bürgermeister in São
Felix.
Auch
heute noch ist Dannemann in Cachoeira und São
Félix
präsent: Direkt am Fluß hat die Zigarrenfirma ihr ehemaliges
Mutterhaus zurückgekauft und darin ein
Kulturzentrum
eingerichtet (Av.
Salvador Pinto, 29
Tel.
7 24 -12 08, Di - So 8 -17 Uhr).
In
dem schön hergerichteten Gebäude werden Bilder von Künstlern der
Region ausgestellt. Jeden November veranstaltet das
Kulturzentrum musikalische Wettbewerbe von einheimischen
Blasorchestern (Filamônicas),
eine Tradition im Recôncavo,
die im Aussterben begriffen ist. Alle zwei Jahre findet im
Centro eine große Biennale statt, bei der Kunstwerke aus dem Recôncavo
gezeigt werden. Hunderte von Künstlern beteiligten sich mit
Performance, Skulpturen Gravuren, Installationen, Videos,
Konzerten etc. daran.
Eine
kleine steile Gasse (Ladeira de Santa Bárbara)
aufsteigend, gelangt man nach etwa einer Viertelstunde zur
Fazenda Santa Bárbara,
dem letzten Wohnsitz und Atelier von Hansen Bahia, in dem
zahlreiche seiner Werke und Fotos zu sehen sind. Das Atelier mit
den Druckstöcken, Pinseln und Gravurmessern wirkt, als habe der
Künstler es nur für ein paar Minuten verlassen. In einem kleinen
Tempel vor dem Wohnhaus mit schönem Panoramablick über das ganze
Paraguaçu-Tal
sind Hansen und seine Frau beerdigt. Die Hansen - Bahia Stiftung
bemüht sich derzeit, das Haus zu restaurieren und das Werk vor
dem Verfall zu bewahren.
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Eine
Liebe zu Bahia
Der Künstler Karl-Heinz-Hansen
»
Ich wurde zweimal geboren. Einmal in Hamburg und das zweite Mal
in Bahia«, pflegte Hansen Bahia zu sagen, die Hamburger Geburt
hat kaum einen Wert. Ich bin Bahianer.«
Erst
40 jährig kam der deutsche Expressionist zum ersten Mal nach
Bahia. Der ehemalige Seefahrer, Kinderbuchautor und Professor
hatte zuvor acht Jahre in São
Paulo doziert. Bahia faszinierte den Künstler. Er läßt sich im
Pelourinho- Viertel in Salvador nieder und
beginnt, die Prostituierten und
Seemänner, die afrikanisch
geprägten Märkte, die Streitereien zwischen Betrunkenen,
Zuhältern und Marktfrauen abzubilden. »Auf keinem Ort der Welt
gibt es eine stärkere künstlerische Quelle als hier in Bahia«,
bemerkte Hansen einmal.
»Das
erste Buch Flor de São
Miguel«,
in dem seine Holzschnittsammlung über die Frauen des Pelourinho
vorgestellt wird, macht ihn in Europa auf einen Schlag bekannt.
Dennoch ist Hansen 1958 gezwungen, wegen chronischem Geldmangel
nach Europa zurückzukehren. Aus seinem geplanten kurzen
Europa-Aufenthalt werden sieben Jahre, in denen er zu einem der
führenden deutschen Holzdrucker wird. 1965 führt ihn ein
Lehrauftrag an die königliche Akademie nach Addis Abebba in
Äthiopien. Nachdem er mit seinen afrikanischen Schülern im Jahr
darauf eine vielbeachtete Wanderausstellung durch Europa beendet
hat, kehrt er nach Bahia zurück und nennt sich von nun ab nur
noch Hansen-Bahia.
Zuerst wohnt Hansen Bahia in Salvador, doch in der Stadt, die
immer hektischer wird und rasant zu wachsen beginnt, findet er
sich nicht mehr zurecht. 1976 zieht er nach São
Félix,
in ein Atelierhaus über dem Dorf - mit schönem Blick über
Cachoeira und den langsam dahinfließenden Rio Paraguaçu.
Am Ostermorgen des Jahres zuvor hatte er nach sechsmonatiger
Arbeit sein berühmtestes Werk vollendet, das »Drama des
Kreuzwegs«. Jorge Amado nannte den Zyklus »ein herausragendes
Kunstwerk unserer Zeit, ein unüberhörbarer Aufschrei, geformt
aus Zorn, Galle, Blut und einer tiefen Liebe zur menschlichen
Natur«.
Kritiker vergleichen das Werk mit Picassos Guernica 1976, zwei
Jahre vor seinem Tod, vermachte der Künstler sein 3000 Bilder
umfassendes Oeuvre der von ihm mitgegründeten
Karl-Heinz Hansen-Stiftung.
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Die
beiden Orte der Doppelstadt sind berühmt für ihre Feiern: Die
Johannisfeste Ende ]uni sind im gesamten Inland des Nordostens
populär und für die Einheimischen so wichtig wie Weihnachten
oder Ostern. Zu São
João,
das
im kalten, regnerischen Winter gefeiert wird, geht es lustig zu:
zum Forró,
einer Art schnellen Polka, tanzen die Paare auf mit bunten
Wimpeln geschmückten Tribünen, die eigens für das Fest aufgebaut
werden. Quadrilhas, Tanzgruppen aus der Umgebung wettstreiten um
die Gunst der Zuschauer, eingeheizt wird mit selbstgebrannten
Likören aus Zuckerrohrschnaps und Früchten wie Genipapo oder
Maracuja und über Holzkohlenfeuer geröstetem Mais, Die dunklen
Juninächte werden mit Feuerwerkskörpern, Fackeln und Böllern
erhellt – nicht ganz ungefährlich, weil die meisten davon im
Eigenbau fabriziert werden. In den Candomblés
werden Feste für Xangô
den Gott über Blitz und Donner, ausgerichtet. Während des São-João
-Festes ziehen Freundesgruppen durch die Städtchen, tanzen und
trinken, bewerfen sich gegenseitig mit Böllern und Fackeln und
werden in jedem Haus mit einem reich gedecktem Tisch empfangen.
Am
Freitag vor dem 15. August erlebt Cachoeira die feierliche
Prozession der Irmandade
da Boa Morte, zu
dem auch viele ausländische Touristen anreisen
(Hotelzimmer sind dann rar ! )
Im Oktober und November liegen die Feste zu Ehren der
Schutzheiligen der Stadt, Nossa Senhora do Rosário,
und der Nossa Senhora da Ajuda, die die Musiker schützt. Auch
diese beiden Feste haben afro-brasilianischen Charakter. Es
spielen die lokalen Blocos Afros und
Reggae - Gruppen, Baianas tanzen in einer Samba-de-Roda und
junge Männer messen sich in der Capoeira. Den krönenden Abschluß
bildet am 4. Dezember das Santa Bárbara-Fest,
bei dem gleichzeitig die afrikanische Göttin Iansa geehrt wird.
Ausflüge
von
Cachoeira: An der Straße von Cachoeira nach Santo Amaro zweigt
nach etwa 4 km eine nicht asphaltierte Piste an einem Schild mit
der Aufschrift »Belém«
(=
Bethlehem) nach links ab und führt uns nach 3 km zur großen
Dorfanlage des Ortes. Hier haben die Jesuiten ihr erstes Seminar
in Brasilien errichtet. Von der Anlage ist aber nur noch die
Kirche von 1686 erhalten. Interessant im Inneren sind
Deckenmalereien mit den Heiligen und orientalisch wirkenden
Blumenornamenten. Die Porzellanziegel des Turms haben die
Jesuiten aus Macau importiert.
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Das Fest der Schwarzen Schwestern
Meist ist es kalt und regnerisch, wenn die Schwesternschaft des
Guten Todes, die Irmandade da Boa Morte, ihr Fest in Cachoeira
feiert. Die Feierlichkeiten beginnen in der
Freitagnacht vor dem 15. August, der in Bahia als Totenmonat
gilt. Die Heiligenfigur der Nossa Senhora da Boa Morte liegt auf
weißen Blumen gebettet, aufgebahrt unter einem durchsichtigen
Tuch. Trauergemeinde und Schwestern versammeln sich um die
Heilige. Sie tragen die typischen weißen Kleider der Baianas,
verhüllen auch noch den Kopf mit weißen Tüchern, doch um die
Schultern haben sie schwarze Samtstolas gelegt. Der katholische
Priester liest eine Messe und führt dann den Trauerzug an.
Männer, deren Zugehörigkeit zum Candomblé
offensichtlich ist, tragen die Heilige durch die engen Gassen,
die schwarzen Schwestern ziehen hinterher. Ein Bild, das in
Erinnerung bleibt: das flackernde Licht der Fackeln, das nur
schwach die dunklen Gesichter erhellt, das feuchte
Kopfsteinpflaster und die verfallenen kolonialen Häuser
Cachoeiras.
Anfang des 19. Jh. gründeten schwarze Sklavinnen in Cachoeira
die Schwesternschaft (Irmandade), um unter dem Schutz der
katholischen Kirche für die Abschaffung der Sklaverei zu
kämpfen. Die Irmandade war gleichzeitig eine Art
Sklaven-Selbsthilfe: Die Schwestern pflegten kranke oder von
ihren Herren wegen Alter in die Armut entlassene Sklaven und
kauften sie teilweise frei. Außerdem setzten sie durch, daß
Sklaven beerdigt wurden und nicht, wie vorher üblich, einfach
ins Meer geworfen wurden. Schutzpatronin der Schwesternschaft
wurde die katholische Nossa Senhora da Boa Morte (Heilige Mutter
des Guten Todes), zu deren Ehren die Schwestern jedes Jahr das
Fest veranstalten, zu dem inzwischen vor allem Afro-Amerikaner
und Afrikaner nach Bahia kommen. Heute gehören nur noch 24
Frauen aus dem Recôncavo
der Schwesternschaft an - zu den besten Zeiten waren es über
200. Aufgenommen werden nur Frauen ab 40 Jahren. Erst dann so
die Schwestern - verlieren die Frauen materielle und sexuelle
Interessen und erlangen die zur geistigen Hingabe nötige Reife.
Mindestens drei Jahre bleibt eine neue Kandidatin unter der
Aufsicht der älteren Schwestern. Während dieser Zeit wird sie in
die vielen Regeln und Gepflogenheiten der Gemeinschaft
eingeführt.
Die
Irmandade ist eine zur katholischen Kirche gehörende
Gemeinschaft, die aber auch von afrikanischen Traditionen
geprägt ist. So gibt es neben den Prozessionen, Totenwachen und
Messen auch nicht-öffentliche Rituale. Ab Anfang August finden
die aus Afrika stammenden Candomblé-Rituale
statt, etwa Reinigungsbäder des Körpers und der Seele oder
später, während und nach dem Fest der Nossa Senhora Opferungen
für afrikanische Götter. Ihr Synkretismus hat öfters zu Ärger
mit der Amtskirche geführt. Einige der Schwestern verleugnen
offiziell jegliche Verbindung zum afrikanischen Glauben - aus
Angst, daß katholische Pfarrer sich weigern könnten, die Messen
zu lesen.
Das
Fest der Boa Morte hat einen festen, seit Jahrhunderten gleichen
Ablauf. Freitag nacht gibt es nach dem Trauerzug die Ceia
branca, ein Essen ohne Dendê-Öl
(Freitag ist der Tag Oxalás,
an dem man dieses Öl nach afrikanischer Tradition nicht zu sich
nehmen darf). Am Samstag fasten die trauernden Schwestern und
sind in
schwarze Kleider gehüllt. Am Sonntag wird die Auferstehung der
Nossa Senhora mit einer weiteren Messe und Prozession gefeiert.
Aufrecht wird die Heiligenfigur durch die Straßen getragen. Die
Schwestern tragen Festkleider: über weiße Spitzenblusen legen
sie schwarze Samtstolas, aber so, dass das rote Satinfutter zu
sehen ist. Sie tragen weiße Turbane und weite schwarze
Plissee-Röcke. Schwer hängen Gold- und Muschelketten, sowie die
Perlenschnüre in den Farben der Orixás
um ihren Hals.
Nach
dem Mittagessen, einer
Feijoada, dem brasilianischen Bohnengericht, beginnt der
profane Teil der Feiern mit einer Samba-de-Roda. Bei diesem
traditionellen Samba bilden die Schwestern einen Kreis um die
Tanzenden und begleiten sie mit Händeklatschen. Erst am Dienstag
morgen endet das Fest mit geheimen Zeremonien für die Orixás
und für die Seelen der Verstorbenen.
|
Anreise mit Bus: |
fahren alle zwei Stunden von Salvador nach Cachoeira
Abfahrt und
Ankunftzeiten: (Consulta ao Sistema de Transporte Intermunicipal
de Passageiros
http://www.agerba.ba.gov.br/transporte/duas_localidades.asp
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*Mehrmals täglich fahren Busse
von Cachoeira nach Belém, aber nur wegen der Kirche lohnt
sich die Fahrt nicht. Zu empfehlen
ist der Abstecher für Touristen mit Mietauto auf der Fahrt nach
Santo Amaro/Salvador
|
Unterkunft: |
Pousada do Convento Praca da
Aclamaçao ohne Nr./ Rua Inocêncio Boaventura Tel 55 (75) 34251716, schöne Pousada im Karmeliterkloster.
http://www.pousadadoconvento.com.br/
Günstige
Übernachtungsmöglichkeit - Cachoeira Apart-Hotel Rua Prisco
Paraiso 2 Centro Próx. A Rua do Porto Tel 55 (75) 34253428
http://www.cachoeiraaparthotel.com.br/
|
Restaurants: |
Restaurant "A Confraria" in der
Pousada do Convento - Gewinner des Preises von dem Magazin
Quatro Rodas 2007+2008
Essens-Tipp Maniçoba (regionale Spezialität)
http://g1.globo.com/bahia/flica/2013/noticia/2013/10/veja-opcoes-de-bares-e-restaurantes-para-comer-bem-em-cachoeira.html
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|
Besichtigung
von Tabakmanufakturen: |
Infos und Anmeldung Centro Cultural Dannemann
Av. Salvador Pinto, São Felix Mo-Fr 9-17 Uhr
Tel. +55(75) 34382500
http://www.terradannemann.com/de/
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|
Einkäufe: |
Cachoeira ist bekannt für seine Holzschnittarbeiten. Maluco
(Verrückter), Maluco Filho
(Sohn des Verrückten) und Doidão
(Spinner) heißen ein paar der knapp ein Dutzend Schnitzer, die
alle irgendwie miteinander verwandt sind und schon seit vielen
Jahren Figuren und Reliefs nach allen möglichen Motiven und
Größen herstellen. Hinter dem Wochenmarkt gibt es Zigarren
aus einer kleinen Manufaktur,nach Hermano fragen!
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